Christian Leo, Geschäftsführer von seven.io, spricht im Interview darüber in welchen Branchen der automatisierte SMS-Versand in der Coronakrise verstärkt nachgefragt wird und wie sich dadurch im B2B-Bereich neue Messaging-Möglichkeiten ergeben. Außerdem schaut er auf die Entwicklung der SMS in den vergangenen Jahren.
Erleben SMS-Gateways durch die Coronakrise eine Renaissance? – Ein Interview mit dem Messaging-Experten Christian Leo
Seit der Coronakrise sprießen zahlreiche Innovationen aus dem Boden, um wirtschaftliche Vorgänge digital zu vereinfachen. Besonders im Gesundheitswesen boomt der Markt. Viel ist gerade die Rede von sogenannten Tracing-Apps, um den Kontakt mit Corona-Infizierten nachvollziehen zu können. Auch der Einzelhandel setzt seit Corona immer mehr auf Digitalisierung. Aldi Süd hat beispielsweise seit Mitte April die Hälfte seiner Läden mit Sensoren ausgestattet, um die Kundenströme automatisiert zu erfassen. Auch die Automobilbranche wird durch die Pandemie zum Umdenken gezwungen: In deutschen Autohäusern bleiben in der Krise viele Kunden einfach weg. Durch digitale Maßnahmen soll der Umsatz wieder angekurbelt werden. Welche Rolle spielt dabei die SMS?
Die Telekom und SAP haben im April den Auftrag von der Bundesregierung erhalten, die dezentrale Corona-App für das geplante Kontakt-Tracing zu entwickeln. Heute soll die App nun freigeschaltet werden. Ist ein Kontakt am Coronavirus erkrankt, wird die gefährdete Person darüber informiert. Datenschützer haben Bedenken gegen die Corona-App. Wie siehst du das?
„Die Corona Tracing App kann datenschutzrechtlich schon bedenklich sein. Ich halte es für besorgniserregend, dass ausgerechnet die großen, trägen Player den Auftrag erhalten haben und nicht eine der zahlreichen sehr agilen Firmen, die wir in Deutschland haben. Nach aktuellem Stand ist die App aber komplett Open Source und sieht soweit sehr sauber aus.
Mit der Anbindung an speziellen Bluetoothbeacons wäre es potentiell auch für Menschen ohne Smartphone möglich am Tracing teilzuhaben. Die Benachrichtigung kann dann per SMS direkt auf das Handy erfolgen. Das österreichische Startup Dolphin Technologies hat innerhalb von zwei Wochen eine App gegen COVID-19 entwickelt, die als kostengünstige Alternative alle Kriterien erfüllt. Novid20 ist kostenlos und Open Source und entspricht ansonsten genau der Corona App, die die Regierung nun für teures Geld bei SAP/Telekom kauft.“
Das Stuttgarter Start-up Sensalytics hat schon die Hälfte der Aldi Süd-Läden mit Sensoren ausgestattet. Wird die maximale Personenanzahl überschritten, erhalten die Mitarbeiter automatisch eine Benachrichtigung kostenlos über Email oder per SMS. Die Benachrichtigung per SMS kostet auf Anfrage bei Sensalytics allerdings 0,23 Cent. Gibt es im SMS-Gateway-Bereich noch günstigere Lösungen? Und wenn ja, sind die Alternativen qualitativ gleichwertig?
Ja, es gibt günstigere Alternativen, aber sie sind nicht alle qualitativ gleichwertig. Es stellt sich hierbei die Frage, wie die SMS versendet werden sollen. Es gibt da zunächst die direkte Anbindung an die Netzbetreiber. Wir sind an die deutschen Netze angebunden, aber natürlich nicht weltweit. Für den Versand an nicht angebundene Netze werden weiter Partner genutzt, die eine entsprechende Anbindung haben. Und dann sind da noch die großen Tier 1 Aggregatoren, die wirklich sehr viele direkte Anbindungsmöglichkeiten haben, quasi an alle Netze. So ist es in der Theorie, in der Praxis gibt es noch viele Reseller und Reseller von Resellern und so weiter. Hier geht die SMS dann teils über diverse Knoten, bevor sie beim Netzbetreiber landet. Logisch, dass diese langen Versandketten fehleranfälliger sind.
Außerdem gibt es noch die Grey Routes. Das sind Netzrouten, die die großen Netzbetreiber nicht verhindern können und an denen sie nichts verdienen. Diese Routen sind daher sehr günstig, mittlerweile blocken die Netzbetreiber diese aber recht gut. Die Qualität ist natürlich meist miserabel, die Preise dafür sehr billig. In der Praxis habe ich bei vielen, auch sehr großen, Anbietern gemerkt, dass eine kleine Zahl von SMS zwar super ankommen, aber sobald mehr Traffic aufkommt, gibt es häufig Beschwerden wegen nicht zugestellter Nachrichten.“
Worauf sollten Kunden also qualitativ achten, wenn sie einen Messaging-Dienst buchen?
„Viele schauen immer nur auf die Preise, wichtige Komponenten sind aber auch die Zustellqualität der SMS sowie der Service & Support – das wird leider von vielen Mitbewerbern vernachlässigt. Dazu kommen noch der Datenschutz und die Sicherheit. Ausschlaggebend ist für viele Kunden, dass wir unseren Sitz in Deutschland haben und die Daten daher nicht ins Ausland gehen. Aber wir haben natürlich noch mehr zu bieten: Auf einfache und gute APIs sollte auch Wert gelegt werden.“
Ausschlaggebend ist für viele Kunden, dass wir unseren Sitz in Deutschland haben.
Wie sieht die Zukunft der SMS aus?
„SMS sind zwar, ähnlich wie Email, ein uraltes und technisch betrachtet nicht sehr innovatives Mittel der Kommunikation. Sie sind und bleiben aber auch in naher Zukunft weiterhin das Kommunikationsmittel im Application-to-Person (A2P) Bereich. Die SMS haben mit Abstand die größte Lese- und Öffnungsrate und sind das einzige Benachrichtigungssystem, das nahezu jeden Menschen weltweit sofort erreichen kann, ganz unabhängig von Apps und Internetanbindungen. Der Nachfolger RCS steht zwar in den Startlöchern, kommt allerdings aufgrund diverser Faktoren nicht recht voran. SMS werden daher für schnelles und zuverlässiges A2P Messaging in den nächsten Jahren noch weiter maßgeblich sein.
Immer mehr Unternehmen entdecken die Vorteile relevanter und schneller Informationen als großen Mehrwert für ihre Endkunden. Durch diese Fokussierung auf Service und Relevanz im Marketing und durch immer weiter fortschreitende Verzahnung in der API Economy werden A2P SMS weiterhin eine große Rolle spielen.“