Im vergangenen Jahr lieferten wir Informationen zur Entwicklung von RCS und berichteten von Schwierigkeiten, die Google auf dem Weg zur erfolgreichen Implementierung begegneten. Nun, so dachten wir, war es doch sehr lange still um den „Nachfolger der SMS“ und eigentlich Zeit für ein Update. Bei unseren Recherchen zeigte sich: RCS ist in Deutschland (laut GSMA und der Deutschen Telekom) bereits flächendeckend implementiert. Das Problem? Verfügbar ist der Dienst deshalb noch lange nicht und diejenigen denen RCS zur Verfügung steht, wissen davon unter Umständen nichts.
RCS-Update: Der Riese, den niemand sieht?
RCS in Deutschland – Der stille Launch
Der Stand der Dinge ist eigentlich ganz einfach. Aktuell (Mitte Juni 2020) ist der Rich Messaging Service offiziell von Seiten der Deutschen Telekom, Vodafone und O₂ verfügbar. In den Nutzerforen des Netzwerkbetreibers O₂ wird aber darauf hingewiesen, dass Kunden Ende Juni 2020 RCS nutzen könnten. Der Kundendienst von O₂ sagt weiter, der Rollout erfolge sukzessiv, der Dienst wird also nicht für alle Nutzer gleichzeitig freigeschaltet. Dieses Bild scheint sich auch bei den anderen Anbietern zu bestätigen.
Im Großen und Ganzen ist es auffällig leise um den Kommunikationsriesen RCS. Die Informationen der Netzbetreiber sind teils schwer aufzufinden und wirken oft unvollständig. Es scheint wenig Einigkeit darüber zu herrschen, wer wann mit welchem Gerät RCS nutzen kann – und zu welchen Konditionen. Suchen wir nach dem Dienst, finden sich statt Angebote der Netzbetreiber vor allem Artikel über mögliche Sicherheitslücken oder andere mehr oder weniger aktuelle Entwicklungen. Im Wesentlichen bedeutet dies auch, dass diejenigen, die Zugang zum RCS erhalten, sich dieser Tatsache möglicherweise nicht bewusst sind. Es gibt zwar eine Benachrichtigung, wenn RCS auf einem Gerät verfügbar ist, aber es ist wahrscheinlich, dass Nutzer diesen Hinweis ignorieren, wenn sie nicht wissen, was RCS eigentlich ist.
Eines ist jedenfalls klar: Nur weil RCS offiziell von der Seite der Netzwerkbetreiber verfügbar ist, ist es noch lange nicht auf allen Endgeräten nutzbar. Die Discount-Größen Aldi Talk und Congstar unterstützen RCS offenbar noch gar nicht. Trotzdem gibt es laut GSMA 430 Millionen aktive Nutzer, davon mindestens 13 Millionen in Deutschland.
Wir fragen uns, wieso die Netzbetreiber die Einführung von RCS nicht größer bewerben. Gerade für sie ist der Dienst doch eigentlich potentiell lukrativ. Möglicherweise hat es ganz einfach damit zu tun, dass das Multimedia-Kommunikationstool (noch?) nicht so universell nutzbar ist, wie gewünscht.
RCS für Unternehmen – Rich Business Messaging (RBM)
Es scheint, als wäre RCS in Deutschland zunächst nur im B2C, bzw. A2P-Bereich wirklich interessant. Zumindest sind in diesem Bereich zurzeit die sinnvollsten Anwendungsbeispiele denkbar. Natürlich ist RCS auch für die P2P-Kommunikation geeignet, doch den OTT-Apps die Nutzer streitig zu machen dürfte schwierig werden, gerade zum aktuellen Zeitpunkt.
Wir müssen uns an dieser Stelle die Frage stellen, wie sinnvoll RBM sein kann, wenn keine klare Kommunikation darüber stattfindet, wie und wann die Zielgruppe das Medium überhaupt nutzen kann. Vertrauen schaffen sieht sicherlich anders aus.
Dazu kommt ein anderes Manko: Auch wenn RCS in vielen Teilen der Welt bereits gelauncht wurde, ist eine Verbindung in all diese Netze noch nicht gewährleistet. Bisher sind nur die deutschen Anbieter untereinander verbunden und auch hier gibt es Ausnahmen.
Immerhin: Die Telekom steht laut eigener Aussage mit internationalen Anbietern im Austausch, um Interworking möglich zu machen. Trotzdem spricht auch dieser Umstand nicht dafür, dass eine Nutzung für Unternehmen in näherer Zukunft attraktiv sein könnte.
Wird Apple RCS implementieren?
In der Vergangenheit wurde das Potential von RCS immer wieder mit dem Argument limitiert, Apple würde RCS nicht implementieren, weil es mit iMessage bereits eine erfolgreiche native Messenger-App besitzt. Die GSMA hatte 2018 mit Apple über die Möglichkeit der RCS-Implementierung gesprochen, seitdem scheint aber nichts Neues geschehen zu sein. Auch hier sehen wir dasselbe Phänomen: Es wird ein Schritt in Richtung Implementierung getan, dann passiert offenbar sehr lange nichts. Für den Standard wäre es natürlich erfreulich, wenn Apple RCS tatsächlich implementieren würde. Während iOS in Deutschland ca. 20% der Marktanteile besitzt, liegt der Anteil in den USA bei knapp 50%. Dort wäre also jeder zweite Smartphonebesitzer nicht in der Lage über RCS zu kommunizieren und müsste auf eine nicht-native App zurückgreifen, was wirklich nicht Sinn der Sache wäre.
Wahrscheinlich ist hier ein Kompromiss-Szenario. Nick Lane von Mobilesquared sagte in einem Interview, Apple müsse RCS unterstützen, wenn es das 5G-Logo nutzen wolle. Dies sei von der GSMA so vorgeschrieben. Dass RBM implementiert werde sei aber höchst unwahrscheinlich, denn dieses stelle eine direkte Konkurrenz zum Apple Business Chat dar. Dementsprechende Statements von Apple konnten wir nicht finden, allerdings hält sich das Unternehmen mit derlei Aussagen gern bedeckt.
Die Sache mit der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
In unserem Blick in die Zukunft des A2P-Messaging sprachen wir bereits darüber, dass RCS nicht Ende-zu-Ende verschlüsselt ist. Ende Mai veröffentlichte der Blog 9to5Google einen interessanten Beitrag dazu. Darin wird berichtet, dass in einer Dogfood-Version der Google Message App Hinweise darauf zu finden seien, dass die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (E2EE) zumindest getestet wird. Grund zur Freude? Vermutlich nicht. Interessant ist hier nämlich die Aussage von RCS-Experten der Deutschen Telekom. Sie antworteten in einer Fragerunde Ende 2019 auf die Frage, ob RCS Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nutzen würde, eine „Ende-zu-Ende Verschlüsselung [sei] für Telekommunikationsunternehmen [in der EU] nicht zulässig“.
Es scheint also unwahrscheinlich zu sein, dass E2EE auch in Deutschland verfügbar sein wird, falls Google seine Message App damit ausstatten sollte.
Letztlich sieht es so aus als würde es noch eine ganze Weile dauern bis RCS wirklich zu dem Riesen wird, als den ihn die GSMA verkaufen möchte. Die Baustellen reichen von der tatsächlichen Verfügbarkeit in Deutschland, über die Absprachen die nötig sind, um RCS-Nutzer weltweit zu verbinden, bis hin zu Sicherheitsfragen, die nach wie vor ungeklärt sind. Wenn all diese Aspekte geklärt sind und Unternehmen und Privatpersonen wirklich in der Lage sind, RCS zu nutzen, kann der Dienst sicher groß werden. Fraglich ist, ob die Allgemeinheit RCS nicht an einem bestimmten Punkt als gescheitert sehen wird, wenn die Implementierung weiterhin so problembehaftet bleibt.
Wir sind gespannt und werden berichten, sobald wir etwas Neues erfahren!
Nutzen Sie RCS bereits? Schreiben Sie uns gern in einem Kommentar, wie Ihre Erfahrungen sind.
Mit besten Grüßen
Headerbild von iStock.com/NicoElNino
2 Kommentare. Leave new
Ihr habt noch ein Problem von RCS vergessen: Die Unmöglichkeit RCS sinnvoll zu nutzen wenn man gleichzeitig Dual SIM nutzt. Ich habe RCS ausprobiert. Mußte aber feststellen, daß dies nicht geht, wenn man 2 SIM Karten im Smartphone nutzt, bzw. es geht nur dann wenn alle Dienste (Telefonie/Daten) auf die gleiche SIM konfiguriert ist, dann kann man mit nur dieser SIM RCS nutzen. Da RCS mobile Daten nutzt, wäre es eigentlich logisch, daß dies nur mit der SIM geht, die für mobile Daten genutzt wird, aber nicht mal das ist möglich, wenn Telefonie auf die andere SIM konfiguriert ist. Außerdem wechsle ich gerne die SIM für mobile Daten hin- und her, da ich 2 verschiedene Netze nutze und dies auch aus Netzabdeckungsgründen mache. Fazit ist: Obwohl es providerseitig bei mir geht, habe ich es ganz ausschalten müssen, da sonst durch die Signalisierung beim anderen (RCS würde bei mir gehen) es passieren kann das ich eine RCS Nachricht bekomme, während ich diese (aufgrund der derzeitigen SIM Konfiguration) gar nicht empfangen kann
Danke für diese Ergänzung. Das ist natürlich ärgerlich, in der Regel hat es ja, so wie bei dir, gute Gründe, wenn 2 SIM Karten genutzt werden.