In unseren vergangenen drei Posts haben wir über Women in Tech gesprochen, die mit ihren Leistungen die Grenzen ihrer Zeit überwunden haben. Glücklicherweise wird deutlich, dass die Öffentlichkeit sich den Errungenschaften von Frauen in der Vergangenheit und der Gegenwart öffnet und nach und nach bereit ist, ihnen eine Bühne zu geben. Auf der ganzen Welt leisten Frauen jeden Tag Großartiges. In unserem letzten Women in Tech-Artikel möchten wir Ihnen daher einen Anreiz geben, sich mit vielen anderen Frauen zu beschäftigen, die bedeutende Beiträge zum technischen Fortschritt geleistet haben und noch heute leisten. Darüber hinaus sind sie Vorbilder für Mädchen und Frauen und viele andere Personen auf der ganzen Welt, die durch ihre Geschichten ermutigt werden.
Women in Tech – Vorbilder sichtbar machen
Hedy Lamarr
Hedy Lamarr (geborene Hedwig Eva Maria Kiesler) erfand 1941 gemeinsam mit George Antheil eine Fernsteuerung für Torpedos, die sich gleichzeitigen Frequenzsprüngen bediente und so sehr viel schwerer von außen zu stören war. Heute ist diese Technik als Frequenzsprungverfahren bekannt und ist unter anderem bedeutend für Technologien wie Bluetooth und WLAN.
1942 ließen Lamarr und Antheil ihre Erfindung patentieren und stellten das Patent der U.S. Marine zur Verfügung. So wollten sie den Alliierten im Krieg gegen die Nationalsozialisten helfen. Doch die Marine lehnte das Angebot zunächst ab und kam erst 20 Jahre später darauf zurück. 1962 steuerten die US-Schiffe in der Kubakrise ihre Torpedos mit dem Frequenzsprungverfahren. Mit der Zeit wurde das Verfahren weiterentwickelt und gilt heute als Grundlage für Bluetooth, WLAN und andere Kommunikationsverfahren.
Wie bei so vielen Frauen, über die wir schon gesprochen haben, und in diesem Beitrag noch sprechen werden, wurde Lamarrs Arbeit sehr spät gewürdigt. Erst im späten 20ten Jahrhundert erkannte man öffentlich an, welchen Wert ihre Erfindung für die Allgemeinheit hatte.
Bekannt war die Österreicherin eigentlich für ihre Schauspielkarriere. In ihrem ersten Hollywood-Film sorgte sie durch Nacktszenen für Skandale und wurde von ihrem Studio als schönste Frau der Welt vermarktet. Die Schattenseite dieser Rollenzuweisung bekam sie sicher auf vielfältige Arten und Weisen zu spüren, eine bekannte ist jedoch die, dass Produzenten ihr verboten, über ihre Erfindungen zu sprechen. Dies war wohl einer der Gründe, wieso ihre zahlreichen Erfindungen unbemerkt blieben.
Bildquelle: Employee(s) of MGM, Public domain, via Wikimedia Commons
Jean Bartik und die ENIAC-Frauen
Die Arbeit an den ersten Computern der Welt muss unheimlich aufregend gewesen sein. Der erste elektronische Universalcomputer ENIAC wog ganze 27 Tonnen, lief mit Lochkarten und hatte einen so großen Energieverbrauch, dass sich hartnäckig das Gerücht hielt, in Philapelphia würden die Lichter gedimmt werden, wenn der Computer eingeschaltet wäre. Die Frauen die an ihm arbeiteten leisteten Pionierarbeit im Bereich der Programmierung und der frühen Computertechnik.
Jean Bartik war eine der sogenannten ENIAC-Frauen und programmierte nicht nur diesen, sondern auch den Nachfolger BINAC. Darüber hinaus arbeitete sie an der Verbesserung der Performance der Computer und erstellte ein Backup-System für den kommerziellen Computer UNIVAC1. Auch die Programmiersprache FORTRAN, die auch Dorothy Vaughan in ihrer Arbeit brauchte, hat Jean Bartik mitentwickelt.
Nichtsdestotrotz war ihr Name lange unbekannt, weil die Arbeit der Frauen nicht als Leistung anerkannt wurde. Während Jean Bartiks Name in den vergangenen Jahren mehr im Licht der Öffentlichkeit stand, sind die anderen Frauen, die mit ihr am ENIAC arbeiteten, weniger häufig erwähnt worden. Ihre Namen waren Kathleen Antonelli, Adele Goldstine, Betty Snyder, Marlyn Wescoff, Frances Spence (geborene Bilas) und Ruth Teitelbaum.
Bildquelle: Unidentified U.S. Army photographer, Public domain, via Wikimedia Commons
Margaret Hamilton
Margaret Hamilton war zwischen 1965 und 1976 bei der NASA und wurde dort Direktorin des Apollo Flight Computer Programming. Zu einer Zeit in der es keine Ausbildung gab, die ihr den Umgang mit oder das Schreiben von Software hätte beibringen können, schuf sie Grundlagen der modernen Softwarearchitektur und war maßgeblich am Erfolg der Apollo-Missionen der NASA beteiligt.
Hamilton war es auch, die den Begriff „software engineer“ prägte. In einem Interview mit dem spanischen Online-Magazin Verne sagte sie, zu ihrer Zeit sei Software-Programmierung noch als etwas wahrgenommen worden, das wie Magie wirkte. Daher war die Verwendung der Begriffe software und engineer gemeinsam unüblich und wurde zunächst belächelt. Hamilton wollte mit dieser Verbindung ausdrücken, dass es eine ernsthafte, strukturierte Herangehensweise an Software-Programmierung brauche.
Diese Struktur war auch definitiv notwendig, denn das Flight Computer Programming Team der Apollo-Missionen stand vor großen Herausforderungen. Nicht genug, dass sie Computer programmierten, die Menschen ins All und auf den Mond bringen sollte, nein, diese Computer hatten auch aus heutiger Sicht lächerlich wenig Speicherplatz. Die Zuverlässigkeit der Software und die prioritätsgesteuerte Ausführung von Programmen waren also von elementarer Wichtigkeit.
Dies zeigte sich beispielsweise bei der Landung der Apollo 11 auf dem Mond. Drei Minuten vor der Landung war der Computer der Eagle-Raumfähre plötzlich überlastet, weil durch einen Fehler zusätzliche, nicht benötigte Daten berechnet wurden. Dank Hamiltons Arbeit konnte der Computer diese unnötigen Aufgaben zurückstellen und sich auf den elementar wichtigen Teil fokussieren: Die Landung.
Bildquelle: NASA, Public domain, via Wikimedia Commons
Radia Perlman
Radia Perlman erfand unter anderem das Spanning Tree Protocol (STP), das eine Grundlage für das moderne Ethernet ist. Auch in anderen Bereichen der Netzwerkstandardisierung und des Netzwerkdesigns hat sie bedeutende Arbeit geleistet, beispielsweise im Hinblick auf Routing bei Netzwerkfehlern und Link-State Protocols.
Ihre Bücher dienten, und dienen noch heute, vielen Programmiererinnen als Grundlage für Arbeit und Forschung. Ihre Arbeit ist außerdem ein wunderbares Beispiel dafür, wie gewinnbringend es ist, wenn Personen mit verschiedenen Erfahrungen an Projekten arbeiten, denn erst Ihre individuelle Sichtweise ermöglichte ihre flexiblen und universalen Lösungsansätze.
Perlman arbeitet noch heute an umfassenden Routing-Protokollen und an Projekten in der Netzwerksicherheit. Sie legt großen Wert darauf, dass ihre Erfindungen und Entwicklungen so benutzerfreundlich wie möglich sind. Wir möchten Ihnen die zahlreichen Interviews mit Radia Perlman ans Herz legen, in denen sie nicht nur über ihre Erfindungen und ihre Arbeit spricht, sondern auch über ihren Werdegang, der sich von dem vieler anderer erfolgreicher Women in Tech unterscheidet.
Bildquelle: Scientist-100 at English Wikipedia, Public domain, via Wikimedia Commons
Dame Wendy Hall
Dame Wendy Hall ist Informatikerin und entwarf im Jahr 1988 mit ihrer Forschungsgruppe das Hypermediasystem Microcosm, das dem World-Wide-Web vorausging. Sie leistete Pionierarbeit im Bereich der digitalen Bibliotheken und des Semantic Webs und fördert die Webwissenschaften als Forschungsdisziplin. In diesem Bereich ist sie heute am stärksten involviert, sie setzt sich aber auch sehr für die Förderung von Frauen in MINT-Bereichen ein.
Die Arbeit an Microcosm sieht aus heutiger Sicht auf den ersten Blick nicht besonders beeindruckend aus: Im Wesentlichen befasste sich Hall mit Multimedia und Hypermedia, also kurzgesagt mit verschiedenen Medien und ihrer sinnvollen Verlinkung untereinander. Beeindruckend und wichtig an dieser Arbeit ist der Zeitpunkt, zu dem sie stattfand. Was heute selbstverständlich ist, war damals etwas, von dem viele Menschen in Halls Umfeld sogar anzweifelten, dass es nützlich sein könnte.
What we were trying to do was science fiction.
Im Laufe ihrer Karriere gründete Hall mehrere Unternehmen und wurde für ihre Arbeit im Bereich der Informatik und Webwissenschaften mehrfach ausgezeichnet. Ihre umfassende Kompetenz macht sie heute zu einer der einflussreichsten Personen in der Politik von Webwissenschaften und den angrenzenden Feldern. Sie ist unter anderem Direktorin des Web Science Trust, gemeinsam mit Tim Berners-Lee, Regius Professorin an der University of Southampton und hat mehrere Vorsitze inne. Darüber hinaus spricht sie häufig über ihre Karriere und aktuelle Entwicklungen und ermutigt so andere Frauen, ihrem Beispiel zu folgen.
Bildquelle: Victor Grigas, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Shafrira Goldwasser
Shafrira Goldwasser ist eine Informatikerin, die insbesondere dafür bekannt, an der Erfindung des Zero-Knowledge-Beweises beteiligt gewesen zu sein, einem wichtigen Kryptografie-Protokoll. Sehr vereinfacht gesagt beweist im Zero-Knowledge-Beweis Partei A Partei B, dass Partei A über ein bestimmtes Geheimnis kennt, ohne, dass sie Partei B das Geheimnis offenbart.
Goldwasser beschäftigt sich mit der Komplexitätstheorie, der algorithmischen Zahlentheorie sowie der Kryptographie und ihrer Rolle in Machine Learning und AI-Sicherheit. Für Ihre Arbeit am Zero-Knowledge-Beweis und am PCP-Theorem wurde sie mit dem Gödel Preis in theoretischer Informatik ausgezeichnet. 2012 erhielt sie den Turing-Award für die Schaffung komplexitätstheoretischen Grundlagen der Kryptographie. Sie ist Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Akademien und Professorin am Weizmann-Institut.
Goldwassers Arbeit ist hochaktuell und wird uns noch viele Jahre begleiten. Wir empfehlen Ihnen, einen ihrer Vorträge anzusehen, beispielsweise aus dem Jahr 2019, in dem es um Kryptographie und Machine Learning geht.
Bildquelle: Weizmann Institute of Science, Public domain, via Wikimedia Commons
Women in Tech – auf dem Weg in eine diverse Zukunft?
All die Frauen die wir Ihnen hier vorgestellt haben sind Vorbilder für viele junge Menschen auf der ganzen Welt. Durch diese Vorbildfunktion helfen sie insbesondere Mädchen und Frauen, Karrieren im Tech-Bereich anzustreben. Übrigens: Der geringe Frauenanteil in Tech-Berufen hängt unmittelbar mit der Gender-Pay-Gap zusammen, also damit, dass Frauen oft schlechter bezahlt werden als Männer. Denn obwohl es sicher hier und dort noch so ist, dass Frauen und Männer im gleichen Unternehmen bei gleicher Qualifikation unterschiedlich viel Gehalt bekommen, liegt das eigentliche Problem doch tiefer: Jobs in denen ein besonders großer Frauenanteil herrscht, oft soziale Berufe, werden wesentlich schlechter bezahlt als, beispielsweise, Berufe in der Tech-Branche.
Ein weiteres Problem zeigt sich auch in diesem Beitrag ganz deutlich: Die ethnische Diversität fehlt noch immer in der Berichterstattung der Medien. In unserem Fall liegt es daran, dass es sehr viel schwerer war, Beispiele und Informationen zu finden, von den Schwarzen Frauen, die bei der NASA als Computer arbeiteten, abgesehen. Eine gleichberechtigte Repräsentation und damit ausreichend Vorbilder für alle Mädchen ist also noch lange nicht erreicht.
Kurzum: Es gibt noch viel zu tun, bis Women in Tech eine Selbstverständlichkeit sind, aber der Weg dahin wird aufschlussreich, spannend und lohnenswert sein.
Gibt es eine Frau, die Sie gern in dieser Liste gesehen hätten? Wurden Sie vielleicht selbst von einer unserer Women in Tech inspiriert? Wir freuen uns über Ihr Kommentar.
Ressourcen:
Wir haben einige Links für Sie gesammelt, die Ihnen dabei helfen können, sich weiter über Women in Tech zu informieren.
10 most influential women in the tech industry 2021 von Kapersky
Forbes 30 under 30 in Science 2021
Diverse Women in Tech-Artikel von entwickler.de
Diverse Women in Tech Artikel von TechChrunch
Kurzer Podcast über das Buch Women who made the Internet von ScienceFriday und ein Artikel von The Verge, beide mit Autorin Claire Evans
Tedx-Talk von Kimberly Bryant– Ingenieurin und Gründerin von Black Girls Code
Mit besten Grüßen
Headerbild: iStock.com/Johnny Greig, Farbe bearbeitet.